Man kann nicht nicht kommunizieren

Artikel aus der Zeitschrift PERSPEKTIVEN – Die Führungskräfte 12/2016

Lesezeit: 10 Minuten

„Man kann nicht nicht kommunizieren“

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sitzen in ihrem Büro, die Tür geht auf und Herr Müller erscheint zum verabredeten Termin: smarter Typ etwa Mitte dreißig, modisch gekleidet mit einem Drei-Tage-Bart im Gesicht. Oder die Tür geht auf und Herr Müller erscheint zum verabredeten Termin: Anzugjacke offen, die Hose leicht abgewetzt an den Knien, leicht hängende Schultern und eine dicke Hornbrille auf der Nase. Hatten Sie jetzt jeweils ein Bild in ihrem Kopf? Ihre Amygdala in Ihrem Gehirn hat schon nach einer Zehntelsekunde entschieden: den finde ich sympathisch oder auch nicht. Herr Müller betritt den Raum und eine Kommunikation beginnt, auch ohne ein Wort zu sagen. Sie können auch kommunizieren durch Handlung oder auch kommunizieren durch „keine Handlung“, wie Sie noch lesen werden. Auf jeden Fall gilt: Kommunikation ist wichtiger als Führung und auch wichtiger als Management, denn führen oder managen können sie nur durch und mit Kommunikation.

Erstes Beispiel:

Viele von Ihnen werden sich an das „Victory-Zeichen“ von Josef Ackermann erinnern (Nonverbale Kommunikation), was einen Aufschrei in der Presse nach sich zog. Wie hat Prof. Paul Watzlawick schon so treffend in seinem ersten Axiom festgehalten: „MAN KANN NICHT NICHT KOMMUNIZIEREN“ und somit hat Herr Ackermann seine Botschaft „gesendet“.

Zweites Beispiel: Matthias Müller, seines Zeichens Vorstandschef bei VW, gibt am 10.Januar 2016 in den USA, in Detroit, im Radiosender NPR ein Interview, indem er auf die Anmerkung des Reporters, „Amerikaner hielten den Vorfall (gemeint war die „Dieselgate“-Affäre) nicht für ein technisches, sondern ein ethisches Problem“, kühl entgegnet: „Ein ethisches Problem? Ich kann nicht verstehen, warum Sie das sagen.“ In diesem Fall eine klassische Kommunikation in einer Dialogsituation. Die Folgen sind Ihnen sicherlich noch in Erinnerung bzw. treiben VW immer noch vor sich her.

 

Drittes Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie übernehmen in vier Tagen die Aufgabe des Vorstandsvorsitzenden eines sehr großen Unternehmens. Würden Sie dann heute, also noch vor Dienstantritt in Ihrer zukünftigen Firma, ein Interview geben mit dem Hinweis, das Unternehmen hat „lausige IT-Systeme“, „inakzeptabel hohe Kosten“ und „teils überzogene Boni bei den Mitarbeitern“? Kommunikativ würde das sicherlich nicht seine Wirkung verfehlen. Stellen Sie sich weiterhin vor, Sie werden in den folgenden vier Monaten kaum gesehen, was Ihnen den Titel „Phantom“ in der Presse einbringt. Sie sticheln öffentlich gegen ihre Vorgänger, streichen den Aktionären die Dividende für erstmal zwei Jahre und Ihre Mitarbeiter können der Presse entnehmen, dass sie zu viel verdienen. Die Frage an Sie lautet: Hätten Sie die gleiche Kommunikationsstrategie? Nein? …ich auch nicht! John Cryan von der Deutschen Bank hat sich allerdings dafür entschieden. Meine Interpretation der aktuelleren Schlagzeilen wie „Löscheinsatz bei Investoren“ oder per E-Mail an alle Mitarbeiter „die Deutsche Bank ist grundsolide“ und „bitte bewahren Sie Ruhe“ lässt erahnen, dass diese Kommunikation nicht so erfolgreich war. In der aktuellen Studie „Der Ruf nach Freiheit“ des Personalberatungsunternehmens HAYS ist ein Ergebnis „85 Prozent der Befragten möchten schlechte Führungskräfte gerne abwählen können“ und es wäre sehr spannend, wie ein Votum der Mitarbeiter/innen der Deutschen Bank ausfallen würde, oder?

 

Alle Beispiele werfen doch eine Frage auf: Warum ist Kommunikation so schwierig?

Fangen wir am Anfang an:

Kommunikation zwischen zwei Menschen beinhaltet einen rationalen und einen emotionalen Aspekt. Betrachten Sie Abb. 1 und stellen Sie sich vor, jeder der beiden „Menschen“ wäre ein Eisberg. Der Kopf ragt aus dem Wasser heraus und der Körper ist vom Wasser versteckt. Der emotionale Anteil ist „unter Wasser“, somit nicht sichtbar, besitzt allerdings ein großes Gewicht.

Eisberg

Abb. 1 Das „Eisberg-Modell“ Quelle: eigene Zeichnung

 

Findet eine Kommunikation nur auf der rationalen Ebene statt, so gibt es keine Probleme. Nun spielt der emotionale Aspekt häufig eine Rolle, z.B. die Beziehung zwischen beiden Gesprächspartnern. Die Krux dabei ist, der emotionale Teil der Kommunikation liegt „unter Wasser“ und wird in der Regel nicht angesprochen, nimmt aber Einfluss auf das Gespräch. Besonders schwierig wird die Kommunikation, wenn die Beziehung gestört ist. Wenn Sie jemanden überreden, dann ist das ein verbales JA und ein nonverbales NEIN. In diesem Fall und auch im Fall verführen/erpressen entstehen immer „Spätfolgen“ in Form einer „Rabattmarke“, um ein anderen Bild zu erzeugen, wobei das Wesen des Rabattmarkenheftes ist, irgendwann ist es voll!!

In der Ausgabe des Manager Monitors Ausgabe 5/16 sind die Ergebnisse der Umfrage zum Thema Weiterbildung und Personalentwicklung veröffentlicht. Auf die Frage „Wo sehen Sie selbst aktuell Ihren größten Entwicklungsbedarf?“ antworten mit Abstand die meisten Führungskräfte: bei Konflikten (es gibt keinen Konflikt ohne Kommunikation) und auf Platz 3 kommt das Thema Kommunikation selbst. Zum einen erkennen die Führungskräfte, da kann ich besser werden, zum anderen ist das Ausdruck dafür, wie schwierig Kommunikation wirklich ist.

 

Ich habe mit meinen Mitarbeitern/innen zehn Jahre lang zwei Kommunikations-Modelle „trainiert“, die ihnen bei der täglichen Arbeit helfen sollten. Dabei war mir ganz wichtig, dass sie praxistauglich sind, also jederzeit abrufbar und anwendbar sein müssen. Aus diesen Gründen sind viele Kommunikationsmodelle meiner Erfahrung nach nicht für den täglichen Gebrauch einer Führungskraft geeignet, z.B. das Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun. Mit zwei Modellen habe ich allerdings tolle Erfahrungen gemacht:

 

Kommunikationsmodell 1:

In Anlehnung an Lyman K. Steil bzw. in Abänderung ist das

W I R – MODELL

entstanden. Es sollte kurz und einfach sein und einen einprägsamen Namen haben. Meine persönlichen Erfahrungen und die Erfahrungen meiner ehemaligen Mitarbeiter bestätigen meine Auffassung, dass es absolut praxistauglich ist.

  1. Wahrnehmung (W): Das interessensabhängige Hören, Begreifen von Körpersprache und Gesichtsausdruck.
  2. Interpretation (I): Sinnerfassung und Deutung auf der Grundlage eigener Glaubenssätze und Erfahrungen.
  3. Reaktion (R): In einer vom Zuhörer als angemessen empfundenen Form wird auf das Gesagte verbal oder nonverbal geantwortet. Dabei gilt das kommunikationstheoretische Axiom von Paul Watzlawick, nach dem auch Nicht-Verhalten als Kommunikation wahrgenommen wird.

Abb. 2 Quelle: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Aktives_Zuh%C3%B6ren

Mit ein wenig Training kann jeder nach diesem Muster Gespräche führen, auch spontan, wenn es die Gesprächssituation erfordert.

Kommunikationsmodell 2:

Die Kommunikationstreppe, die ich aus meinem Studium beim St. Galler Management Institut mitgebracht und lieben gelernt habe.

Kommunikationstreppe

Abb. 3 Quelle: SGMI Management Institut St. Gallen, Daniel Schmidlin

 

Die Kommunikationstreppe, dessen Abbild ich z.B. auch bei Mitarbeitergesprächen auf den Tisch gelegt habe, sodass mein Gegenüber diese sehen konnte, zeichnet sich bei richtigem Einsatz durch zwei Eigenschaften aus:

  1. Wenn Sie Stufe für Stufe mit ihrem Gesprächspartner durchsprechen, dann ist spätestens nach Stufe drei klar, dass Sie beide das gleiche Verständnis haben/vom Gleichen reden. Die Kommunikationstreppe erhöht die Klarheit.
  2. Wenn Sie Stufe für Stufe bis zum Ende erklommen haben, dann erhöhen Sie die Akzeptanz und die Verbindlichkeit für die Zeit nach dem Gespräch.

 

Die hier dargestellten Möglichkeiten habe ich viele Jahre gemeinsam mit Kollegen/innen geübt und für absolut geeignet für die Praxis befunden. Nun sind diese beiden Angebote für die Kommunikation kein „Allheilmittel“, aber sie sind ein Anfang und werden Sie im Einsatz und bei häufigem Training weiterbringen. Viel Freude beim Ausprobieren!

Frank Uffmann

Kontakt: frank.uffmann@pizf.de

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