Vertrauen in Führung Teil I: Die Biologie des Vertrauens

Einführung

«Liebe deinen Nächsten ein bisschen mehr als dich selbst» beschreibt für mich einen kurzen Moment im COVID-Frühjahr des letzten Jahres in unserer Gesellschaft, als der Respekt für Verkäufer*innen in Supermärkten und Applaus für Krankenhauspersonal und Pfleger*innen in Dankbarkeit und Zuversicht – #wirgemeinsam – mündeten, doch dieser Moment ist vorüber. Auch wenn der Vater der Philosophie, Thales von Milet, obigen Satz nicht wörtlich gemeint hat, so hatten wir doch die Chance uns als Gemeinschaft im Umgang miteinander mit mehr Achtsamkeit zu begegnen. Aktuell wird immer deutlicher, dass Vertrauen eine Grundvoraussetzung für eine Gesellschaft, deren Wirtschaft und Organisationen ist und Egoismus eher zu fehlendem Vertrauen führt, sodass das verunstaltete Gesicht einer Gesellschaft immer klarer zum Ausdruck kommt. Geblieben ist mein Wunsch, den Wert Vertrauen im Zusammenspiel mit Führung als Kit für unser gesellschaftliches Zusammenleben in fünf Artikeln zu beleuchten. Den Start macht dieser Artikel.

Gesellschaftsvertrauen

Vor Kurzem warb in einer Gesprächsrunde Armin Laschet (Vorsitzender der CDU) um Vertrauen in Bezug auf die Maskenaffäre der CDU. Offensichtlich, wie man an den Wahlergebnissen der CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ablesen kann, ist Vertrauen ein ausgesprochen flüchtiges Gut, braucht Zeit im Entstehungsprozess und kann durch eine Handlung oder auch nur einen Satz zerstört werden, wie die Wirkung einer Stange Dynamit an einer tragenden Säule eines Hauses. Bei dieser Sprengkraft lohnt sich ein Blick auf Bedeutung bzw. Definition von Vertrauen, insbesondere in Zeiten der COVID-Pandemie, in der Organisationsvertrauen, Gesellschafts- und Beziehungsvertrauen elementar wichtig für unser Gemeinschaftsleben sind.

Bedeutung/Definition

Unter Vertrauen verstehen wir die positive Annahme, dass zukünftige Entwicklungen einen positiven oder erwarteten Verlauf nehmen und dass die Handlungen der vertrauten Personen oder Organisationen werteorientiert und nach moralischen Vorstellungen durchgeführt werden. Vertrauen ist folglich eine riskante Vorleistung! Der Wert Vertrauen wiederum begründet sich durch Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Authentizität, wirkt sich im hier und jetzt aus, ist allerdings auf zukünftige Ereignisse ausgerichtet.

Dass Armin Laschet den Handschlag als uralte Vertrauensgeste den Missetäter*innen der Maskenaffäre in der CDU reichen würde, darf bezweifelt werden, denn aus der riskanten Vorleistung gegenüber seinen Parteifreund*innen ist nun die Gewissheit getreten, dass christlich-demokratische Werte nicht die Grundlage deren Handlungen gewesen sind. Nun ist der neue Parteivorsitzende als Führungskraft gefragt, einen guten Weg in der Matrix des klugen Vertrauens (von Steven Covey) – Blindes Vertrauen, Kluges Vertrauen, Kein Vertrauen und Misstrauen – zu finden, wobei Misstrauen häufig eine Folge unerfüllter Erwartungen ist, hervorgerufen durch Unehrlichkeit, Missverständnisse und Unvorhersehbarkeit. Entscheiden sie selbst, welche (r) von diesen drei Gründen die Grundlage des wachsenden Misstrauens in unserer Gesellschaft in der COVID-Pandemie ist. Mit Blick auf die Bedeutung/Definition von Vertrauen wird nun deutlich, dass vielen Wähler*innen bei den vergangenen Landtagswahlen das Risiko der riskanten Vorleistung offenbar zu hoch war.

Biologie des Vertrauens

Um die Bedeutung des Wertes Vertrauen zu erfassen, ist es sinnvoll sich mit dessen biologischer und auch neurobiologischer Entwicklung im Menschen zu beschäftigen.

Dazu gehen wir einmal zurück zum Anfang allen menschlichen Lebens, der Geburt, wenn ein Kind das Licht der Welt erblickt, ausgestattet mit einem Ur-Vertrauen durch die Bindung zur Mutter, aufgewachsen in Sicherheit und Geborgenheit und aus neurobiologischer Sicht der Erkenntnis, jeden Tag ein wenig über sich hinaus wachsen zu können. Diese positive emotionale Sicherheit und Bindung ist die Grundlage zur Ausbildung von Haltungen, Verantwortung, Handlungsplanung und Folgenabschätzung (Impulskontrolle), hoch komplexe Leistungen des Gehirnes, die in die Vertrauensbildung eines jeden Menschen einfließen. In der weiteren Kindheit wird nun Selbstvertrauen aufgebaut im Spiel- und Lernverhalten mit sich selbst und anderen und in der Phase der Schulzeit lernt das heranwachsendende Kind den Aufbau von Beziehungsvertrauen mit neuen Freund*innen als Schulkamerad*innen. Die Grundlage für Zukunftsvertrauen wird spätestens in der Ausbildung/Studium, also im Emerging Adulthood, gelegt, die nebst dem Wissensaufbau auch der Orientierung und Identitätsfindung dient.

Neue Forschungsergebnisse aus der Neurowissenschaft, z.B. von Prof. Paul J. Zak (Claremont University), zeigen zwei Besonderheiten des menschlichen Gehirnes auf, die sich auf das Vertrauen von Menschen auswirken, selbst wenn sie nicht zur direkten sozialen Gruppe gehören:

1. Wir Menschen können uns in andere Menschen hineinversetzen (Theory of Mind – ToM). Dadurch sind wir in der Lage Handlungen anderer vorauszusehen und unser eigenes Verhalten daran anzupassen.

2. Durch das Hormon Oxytocin in unserem Gehirn haben wir die Fähigkeit, Gefühle anderer Menschen zu teilen. Empathie ist uns also anatomisch angeboren.

Bedeutung dieser Erkenntnisse für Führung

Dass es als Führungskraft ausgesprochen wichtig ist, sich in andere Menschen hineinversetzen zu können (ToM), bedarf keiner weiteren Erläuterung und erlebt jede Führungskraft vom ersten Tag an in dieser Funktion. Dagegen liegen die Vorteile einer empathischen Führungskraft, also ein Mensch mit vielen Oxytocin Rezeptoren im Gehirn, tendenziell eher im weiblichen Geschlecht beheimatet, nicht offenkundig auf der Hand. Diese sind:

1. Empathische Führungskräfte motivieren zur Zusammenarbeit und Hilfe mit anderen Menschen.

2. Menschen neigen von Natur aus dazu, Anführer*innen nachzuahmen, was sich positiv in einem Vertrauensspiel zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*in auswirken kann.

Verbreitet eine Führungskraft dagegen Angst und übt Macht aus, sabotiert er das in ihn gesetzte Vertrauen, verletzt durch sein Dominanzverhalten die Menschen in seinem Umfeld und erzielt bleibende Wirkung in Form von Demotivation. Dominantes Verhalten löst Stress aus, hemmt dadurch Oxytocin und in der Folge davon steigt geschlechterunspezifisch bei einer solchen Führungskraft der Testosteronspiegel. Der Weg zum Alphatier mit all seinen Auswirkungen ist beschritten und es ist mittlerweile neurobiologisch bewiesen, dass Macht – also ein erhöhter Testosteron-Spiegel – das Gehirn verändert und die Folge ist: Macht macht einsam!

Dieser Artikel ist am 15.4.21 beim DMB veröffentlicht worden unter…

https://www.mittelstandsbund.de/themen/arbeit-bildung/vertrauen-in-fuehrung-teil-i-die-biologie-des-vertrauens/