Im Zusammenspiel der Faktoren Vertrauen und Führung ergibt sich eine Konstellation, die sich äußerst negativ auf die Unternehmenskultur auswirkt: „Toxic Leadership“. Ich beleuchte die dunkle Seite der Führung und wie dadurch ein giftiger Kreislauf für das Unternehmensklima entsteht.
Unser Gehirn ist schon toll! Es organisiert sich selbst und manchmal (oder auch öfter) könnte man denken, das macht ja vieles alleine und braucht mich gar nicht, vor allem nach dem Studium des Buches „Schnelles Denken, langsames Denken“ von Daniel Kahnemann. Und das ist gut so, denn die Digitalisierung und permanente Veränderung fördert den Aufbau neuer Nervenzellen und neuronaler Netzwerke, sodass die erlebten Veränderungen schnell zu Routinen werden und wir damit gelassen umgehen können. Der Umgang durch das schnelle Lernverhalten mit unserem Smartphone ist ein gutes Beispiel dafür. Unser Gehirn hat sich nutzungsabhängig selbst umgeformt – man nennt das Neuroplastizität – und schon ist das Handy nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Wie schön wäre es, wenn sich dieses Beispiel auf alle Veränderungen auch in den beruflichen Kontext übertragen lassen würde. Das hat natürlich etwas mit der Einstellung und Haltung des Mitarbeiters zu tun, aber natürlich auch mit der Führungskraft. Betrachten wir die Arbeit einer Führungskraft in den zwei Dimensionen Performance – letztendlich wird jede Führungskraft an Ergebnissen gemessen – und Vertrauen als grundlegende Bausteine einer beziehungsorientierten Führung, einmal näher.
In der Abbildung sehen wir in der Ecke links unten das graue Feld „Low Performance“ und „Low Trust“. Eine Führungskraft mit schlechten Ergebnissen und wenig Vertrauen bei den Mitarbeitern will natürlich niemand haben. Wie fühlt sich dagegen „High Performance“ und „Low Trust“ an? Nach der Überwindung des ersten kurzen Widerstandes im Geiste geht ihnen durch den Kopf, dass jemand, der richtig gute Ergebnisse liefert auch ihrer eigenen Performance guttun würde und sie sehen schon ihren Chef vor dem geistigen Auge, wie er ihnen mit einem Schulterklopfen zur Auswahl dieser Führungskraft gratuliert. Mit stolzgeschwellter Brust nehmen sie das Lob an und murmeln etwas von «freue mich meinen Beitrag leisten zu können». Woche für Woche liefert diese Führungskraft tolle Ergebnisse in allen Controllingsystemen und der Hype um diese Person nimmt Fahrt auf, doch irgendwann fragen sie sich: «wie macht der oder die das nur?» Ist erst einmal das Samenkorn der Neugierde (Zweifel) gepflanzt, zeigt sich unter genauer Betrachtung der Ergebnisse, dass eine ausschließlich performanceorientierte Führung ohne Vertrauen bei den eigenen Mitarbeitern Grundlage der Erfolge ist. Motto: Performance über alles – und dafür kann man auch schon mal fünf gerade sein lassen! Die guten Ergebnisse lösen am Anfang noch Motivation bei den Mitarbeitern aus, aber je mehr Zwang ausgeübt wird, desto größer die empfundene Angst. Das Stresshormon Cortisol wird im Gehirn ausgeschüttet und löst Vernetzungen im Gehirn wieder auf und der Mitarbeiter kann nicht mehr auf seine höheren geistigen Fähigkeiten zugreifen. Der Circulus vitiosus aus Angst-Vermeidung-Belastung-Gescheiterte Bewältigung-Selbstzweifel ist angestoßen.
Ein weiterer Aspekt spiegelt sich in der Missachtung der Führungskultur des Unternehmens wider, die sich, wenn man keinen Riegel vorschiebt, auf weitere Führungskräfte ausdehnt und den „Toxic Leader“ zum Vorbild für alle macht. Die Frage im Unternehmen nach «Wer ist hier das Arschloch?» hat gute Chancen genau diesen Typus zu entlarven. Diese Führungskraft erzeugt kurzfristig Performance und zerstört langfristig das Unternehmen!
Zurück zur Abbildung: High Performance und High Trust entspricht natürlich dem Idealbild, scheint allerdings vom Aussterben bedroht zu sein und die wenigen Exemplare erfreuen sich großer Beliebtheit. Manchmal kann aber auch die zweite Wahl – Medium Performance und High Trust – die beste Wahl sein und die Frage nach «Wer ist im Unternehmen immer für dich da?» gibt Hinweise auf diese Person. Klar, eine Führungskraft mit wenig Erfolgen, auch wenn sie sehr vertrauenswürdig ist, klingt nicht besonders sexy, aber immer noch besser als ein Toxic Leader.
Fazit
Interessanterweise haben wir unzählige Controllingsysteme in Organisationen zur Messung von Performance entwickelt, seltsamerweise aber nur wenige, um Vertrauen zu messen, was schon eine Vorahnung darauf gibt, welcher Führungskultur wir wie die Lemminge folgen.
Schon 1969 beschrieben die Autoren L. Peter und R. Hull das Phänomen, dass Beschäftigte so lange befördert werden, bis sie die Grenze zur Inkompetenz überschreiten. Diese Provokation unterstellt damit, dass die meisten Führungskräfte in ihren Jobs inkompetent sind, was die Frage aufwirft, wie ist denn ein Beförderungssystem in deutschen Unternehmen organisiert? Schauen wir uns das mal genauer an…
Ein erfolgreicher Verkäufer wird Führungskraft für ein Verkaufsteam, weil er gut verkaufen kann. Ein auffallend kreativer Lehrer und Pädagoge wird zum Schulleiter befördert und damit Verwalter und ein Ingenieur schafft den Sprung zum Manager, weil seine Projekte immer perfekt ablaufen. In der Psychologie nennt sich das der Status-quo-Effekt. Dahinter verbirgt sich die Annahme, wer einmal gute Leistungen vollbracht hat, dem werden auch in Zukunft gute Leistungen zugetraut. Gekitzelt an der eigenen Eitelkeit mit einem höheren Status Quo in Macht und Geld fällt dann die selbstkritische Überprüfung der eigenen Kompetenzen für den neuen Job ausgesprochen wohlwollend aus und dem Förderer bleibt die Inkompetenz des Beförderten unter dem Lametta verborgen. Multiplizieren sie die fehlenden Fähigkeiten des ersten Karriereschrittes unter Abzug der erlernbaren neuen Kompetenzen mit der Anzahl der weiteren Aufstiegsschritte, dann erfassen sie die Dimension des Peter Prinzips.
Die gute Nachricht: viele Kompetenzen sind erlernbar!
Die schlechte Nachricht: viele Kompetenzen werden nicht gelehrt!
Die ganz schlechte Nachricht: Die Stufe der eigenen Unfähigkeit wird nicht nur
durch Beförderungen erreicht, sondern NEU auch
durch mit der Zeit wertlose Erfahrungen
Tsunami für den Erfahrungsschatz:
Der Buchdruck und die damit einhergehende Verbreitung von Wissen in der Bevölkerung beginnend im 15. Jahrhundert läutete die industrielle Revolution ein, die mit dem Beginn der computermedialen Epoche Mitte des letzten Jahrhunderts ein Ende fand. War ein berittener Bote im 18. Jahrhundert mit einer Nachricht quer durch Europa noch Wochen unterwegs, so erreicht diese Nachricht gesendet per E-Mail oder WhatsApp innerhalb weniger Sekunden (fast) jeden Platz auf dem Erdball. Der Hauptfaktor für Veränderung heißt nun: Geschwindigkeit!
Megatrends wie Mobilität (E-Mobility, 24/7-Gesellschaft, Moderne Nomaden), Neo-Ökologie (Sharing Economy, Green Tech, Free Ager, Sinn-Ökonomie, Minimalismus), Silver Society (Co-Living, Well Aging, Slow Culture), Konnektivität (Smart Cities, Big Data, Omnichanneling, Künstliche Intelligenz, Kollaboration) und New Work (Start-up Culture, Think Places, Co-Working, Work-Life Blending) beherrschen im 21. Jahrhundert die ganze Welt. Der leider verstorbene Prof. Peter Kruse führte in 2014 400 Tiefeninterviews (Studie: Führung im Wandel) mit Managern der ersten Führungsebene und Aufsichtsräten mit dem Ergebnis durch, dass die Selbsterkenntnis vorhanden war, für diese komplexe Umwelt selbst nicht die dafür notwendigen Kompetenzen zu haben. Die Studie «Die Zukunft der Führung in Unternehmen» von Prof. Rolf van Dick von der Goethe Universität Frankfurt aus dem Jahre 2016 bescheinigt ebenfalls erhebliche Defizite bei den eigenen Kompetenzen in der Selbstwahrnehmung der Führungskräfte.
Bedeutung:
Die Stufe zur eigenen Unfähigkeit, wenn sie denn eintritt, wurde in der Vergangenheit nach dem Peter-Prinzip durch die letzte Beförderung erreicht. Ausgelöst durch die Digitalisierung mit den oben beschriebenen Megatrends kommt nun ein weiterer Aspekt hinzu: die Geschwindigkeit der Veränderungen in der Umwelt und deren Folgen reduzieren die Halbwertzeit des Erfahrungsschatzes vieler Manager, Führungskräfte und Unternehmer, die in der Vergangenheit zum Navigieren durch die Untiefen der Wirtschaft zu Rate gezogen wurden und für eine erfolgreiche Tätigkeit auskömmlich waren. Das hat sich geändert! Dabei lässt sich eine Proportionalität zwischen Lebensalter und gemachter Führungs- und Managementerfahrungen feststellen: Je älter die Erfahrungen, desto höher der Verlust an Relevanz und je jünger die aufgebauten und für gut befundenen Führungskompetenzen, abgeleitet von den aktuellen Megatrends, desto reichhaltiger ist die Schatzkiste der Führungserfahrungen gefüllt. Ein über 70-jähriger Manager hat also das Problem in die Unfähigkeit abzurutschen, es sei denn, er sammelt selbst Erfahrungen in obigen Megatrends oder kombiniert sein Wissen mit jüngeren Managern, was bei der heutigen Komplexität sowieso sinnvoll ist, weg von Entscheidungen Einzelner und hin zu Entscheidungen im Team. Leben ist Lernen und dafür ist es nie zu spät. Also könnte dieser Manager seine fehlende Kompetenz durch z.B. ein Reverse-Mentoring aufpeppen.
Fazit:
Moderne vertrauensvolle Führung bewegt sich zwischen den Polen Kreativität und Rationalität, zwischen Revolution und Evolution, zwischen Nähe und Distanz und zwischen Ethik und Wirtschaftlichkeit und alles gleichzeitig und in einem hohen Tempo. Sollte ein Manager dazu nicht in der Lage sein, also das Peter Prinzip mal wieder zuschlägt, dann Aufsichtsgremien macht Euren Job! Es darf nicht sein, dass Organisation 4.0 auf Führung 1.0 trifft!!
In amüsierter Anlehnung an die Tischrede von Prof. Dr. H.E. Scheffler (2003)
Lesezeit: 3 hoffentlich heiter ironische Minuten
Pausensnack als Garnitur und los:
Die persönliche Weiterentwicklung vom Teen-AGER zum Man-AGER ist ein emanzipatorischer Feldversuch des Mannes, der bei Erreichen der weißen Haarfarbe, natürlich immer noch als Man-AGER, den Zusatztitel Best-AGER verliehen bekommt. Das Gute an der Evolution ist, zum Best-AGER schaffen wir es alle, sofern uns vorher nicht die Luft ausgeht, was beim Man-AGER zwar möglich, aber nicht generell umsetzbar ist. Man-AGER kann jeder werden, entweder durch eigenes Können oder aber durch die Dummheit eines anderen. Früher oder später, also als Man-AGER oder Best-AGER oder vielleicht sogar beides zum selben Zeitpunkt, macht das „Peter-Prinzip“ aus dem Ritter in glänzender Rüstung den „Don Quijote“ als den Ritter der traurigen Gestalt. Alle Karrierestufen sind erklommen und die letzte Stufe zur eigenen Unfähigkeit geschafft, was den Weg vom Man-AGER zum Vers-AGER bestätigt. Wirft der Man-AGER dann irgendwann den Kokon der Raupe ab und schafft den Sprung zum Schmetterling, also zum Top-Man-AGER, dann nimmt die Neigung zu Monologen in Ich-Form deutlich zu und seine menschlichen Grundbedürfnisse werden vom Geltungsbedürfnis dominiert. Doch im Unternehmen gibt es noch weitere Funktionen, die sich folgendermaßen auszeichnen:
der Fachmann – denkt nicht, er weiß
der Man-AGER – denkt, aber weiß nichts
der Top-Man-AGER – erspart sich das Denken und weiß nichts…
der Top-Man-AGER und Best-AGER – ist Aufsichtsrat, – der, der auf Sicht rät
Die Managertätigkeit als solches ist geprägt von „Murphy´s Gesetz“: „Wenn etwas schiefgehen kann, dann geht es auch schief“, was nichts anderes bedeutet als: je höher die Position, desto mehr Fehler kann man sich erlauben und wenn man nur noch Fehler macht, dann nennt man das einen charismatischen Führungsstil. Die gute Nachricht ist, da wo ein Top-Man-AGER auftaucht klappt dann nichts mehr, aber er taucht nicht überall auf. Ist man also der „Fehlerquotenkönig“ im Unternehmen – also Top-Man-AGER – dann kommen andere Man-AGER-typen und machen einem den Titel streitig.
- Der japanische Man-AGER-typ, der nach der Bonsai-Methode führt: jede aufkeimende Initiative wird sofort beschnitten
- Der Optimus-Prime Man-AGER-typ, der auch nach Verlust der Übersicht den Mut zur Entscheidung besitzt, denn auch eine Fehlentscheidung spart Zeit
- Der Baumarkt Man-AGER-typ – wenn es gut werden soll und bei dem Konzeption und Konfusion dieselbe Bedeutung haben, denn er weiß, dass die Alternative zur Sackgasse der Holzweg ist.
Doch alle Man-AGER haben eines gemeinsam: den P L A N. Er ersetzt den Zufall durch Irrtum und dank der Digitalisierung geht das jetzt sogar noch schneller. Doch am Ende eines jeden Jahres steht der Man-AGER vor dem Spiegel und fragt: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Erfolgreichste im ganzen Land? Und jeder Man-AGER postuliert, „das bin ich“ der Spiegel sagt es mir, denn nichts ist groß, was nicht wahr ist“ (Gotthold Ephraim Lessing).
Beste Grüße aus Düsseldorf
Ihr
Frank Uffmann
PS: bis vor kurzem war ich selbst Man-AGER