Lesezeit: 5 Minuten
Stellen Sie sich ein Unternehmen irgendwo in Deutschland vor, indem Sie seit vielen Jahren engagierter, relativ erfolgreicher Manager sind. Irgendwie fehlt Ihnen aber die Perspektive und Sie möchten gern einen weiteren Karriereschritt machen und suchen eine neue Herausforderung. Sie werden fündig … allerdings nicht im eigenen Unternehmen, sondern bei einem Mitbewerber. Nun haben Sie bisher gern für das Unternehmen gearbeitet, auch wenn schon mal die ein oder andere Zeit an Ihrer „Substanz geknabbert“ hat. Ihre Loyalität gegenüber Ihrem jetzigen Arbeitgeber und die gemeinsame Historie mit vielen guten Erinnerungen lässt Sie noch einmal zögern, bevor Sie sich dann doch für einen Wechsel entscheiden. Durch eine vermeintliche Indiskretion erfährt Ihr jetziges Unternehmen von Ihren Absichten, bevor Sie Ihre Kündigung öffentlich machen können.
Nichts ahnend, wobei sich das nur auf die folgende Situation bezieht, sitzen Sie am Schreibtisch, als plötzlich ihr direkter Vorgesetzter und ein Kollege aus der Personalabteilung im Türrahmen stehen. Die beiden treten ein, schließen die Tür hinter sich und konfrontieren Sie mit der Indiskretion ihrer Wechselabsichten. Natürlich bestätigen Sie diese mit dem Hinweis, dass es für die offizielle Kündigung noch zu früh ist. Ihr Vorgesetzter fordert Sie auf „bitte packen Sie jetzt Ihre Sachen. Wir begleiten Sie danach hinaus.“ Sie packen Ihre persönlichen Dinge, während zwei Augenpaare sie ständig beobachten und Ihnen gehen dabei Gedanken durch den Kopf wie „habe ich mir etwas zu Schulden kommen lassen?“ oder „ich werde behandelt wie ein Verbrecher“ und flankiert von den Herren marschieren Sie zum Ausgang „Ihres Unternehmens“, natürlich erst nachdem Sie auch Ihre Schlüssel und Ihren Betriebsausweis abgegeben haben. „Da hätten nur noch Handschellen gefehlt und ich wäre mir vollends wie ein Verbrecher vorgekommen“ macht sich in mir der Gedanke breit. Sie sind fassungslos über die gerade erlebten Ereignisse, die Sie jetzt erst einmal verarbeiten müssen.
Ich war nicht dabei, zugegeben, als sich obige Situation abgespielt hat, sondern meine Erzählung beruht auf Schilderungen dritter und vierter Personen. Reicht meine Vorstellungskraft aus, dass sich die Situation so oder ähnlich in diesem oder auch in anderen Unternehmen in Deutschland abspielt? JA…
Was stört mich persönlich an obiger Schilderung? Das ein Manager von jetzt auf gleich seinen Arbeitsplatz räumen muss hat ebenso an Seltenheitswert verloren, wie „man muss schon goldene Löffel…“ Sie wissen schon wie das weitergeht. Ich stelle mir die Frage nach der Kultur oder Moral eines Unternehmens oder ist solch ein Umgang mit Mitarbeitern mittlerweile gesellschaftsfähig geworden?
Im positivsten Fall ist es vielleicht nur die gekränkte persönliche Eitelkeit dieses Vorgesetzten, die zu so einer Handlung verleitet, wenngleich auch der Konkurrenzgedanke für Geschäft in derselben Stadt eine Rolle spielen könnte. Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß, ist, dass so ein Erlebnis eine Wirkung auf die Person selbst hat und auf alle anderen Mitarbeiter, die davon Kenntnis erlangen. Bei der Person selbst ist die Loyalität und das Vertrauen zum Unternehmen dahin – was im Zweifel keine Rolle mehr spielt – und auch bei allen anderen Mitarbeitern kann ich keine positive Botschaft erkennen…
Mein persönliches Fazit:
Wenn ein Mitarbeiter den Arbeitgeber wechselt, dann ist es sein gutes Recht und kein Grund denjenigen zu behandeln, als hätte er eine Straftat begangen. Ich gebe zu, als in meinem Führungsteam die erste Führungskraft von mir zu einem Mitbewerber in der gleichen Stadt wechselte, da habe ich zunächst eine „persönliche Beleidigung/Enttäuschung“ empfunden, bis ich begriffen habe, es geht um Weiterentwicklung des einzelnen Menschen. Eine neue Herausforderung kann im Umfeld eines neuen Arbeitgebers liegen, aber auch in einer neuen Aufgabe inhaltlich oder als Karriereschritt, die die Menschen „größer werden“ lässt. Menschen wollen sich weiterentwickeln und das ist gut so, auch wenn das Ergebnis ein Arbeitgeberwechsel zur Folge hat. Wenn man die folgenden Punkte beachtet, ist jederzeit eine gute Trennung möglich, denn Sie wissen ja, man sieht sich immer zweimal im LebenJ
- Eines meiner wesentlichen „Learnings“ in der Rolle als Führungskraft habe ich oft und erfolgreich gerade in schwierigen Situationen mit Mitarbeitern eingesetzt: TRENNE DEN MENSCHEN VON DER SACHE aus dem Buch Das Harvard-Konzept[1]. So war ich jederzeit in der Lage Verhalten zu kritisieren und trotzdem dem Menschen gegenüber wertschätzend zu sein und
- „Behandele Mitarbeiter immer so, wie du selbst behandelt werden möchtest“ war und ist meine Maxime.
- „Sage was du denkst, tue was du sagst, und stehe für das, was du tust“ und so zeigt sich deine Wertekultur.
Mal geht man im Leben ein Stück zusammen und dann geht man auch wieder getrennte Wege, so ist das Leben…aber bitte immer mit Respekt und in gegenseitiger Partnerschaft.
[1] Vgl. Das-Harvard-Konzept, Fischer/Ury/Patton